Andere Stimmen, andere Räume by Truman Capote

Andere Stimmen, andere Räume by Truman Capote

Autor:Truman Capote
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Roman
Herausgeber: Kein & Aber AG
veröffentlicht: 2013-06-26T16:00:00+00:00


SIEBEN

Sie kam die Straße herauf, stieß nach Steinen und pfiff. Eine Bambusstange über ihrer Schulter zeigte zur Nachmittagssonne. Sie trug einen Melasseeimer und hatte eine Spielzeugsonnenbrille auf der Nase. Henry, der alte Hund, trabte mit heiß heraushängender roter Zunge neben ihr her. Und Joel, der auf den Postboten gewartet hatte, versteckte sich hinter einer Föhre; au, das wird gut: er würde ihr einen Schreck einjagen, der … da, sie war fast nah genug.

Doch sie blieb stehen und nahm die Sonnenbrille ab und putzte sie an ihren Khaki-Shorts. Sie schirmte die Augen ab und schaute genau zu Joels Baum und weiter: niemand war auf der Veranda von Landing zu sehen, kein Lebenszeichen. Sie zuckte die Achseln. »Henry«, sagte sie, und seine Augen rollten traurig hoch, »Henry, ich überlasse es dir: wollen wir ihn dabeihaben oder nicht?« Henry gähnte: eine Fliege summte in sein Maul, und er fraß sie auf. »Henry«, fuhr sie fort und musterte eine bestimmte Föhre, »ist dir je aufgefallen, was für komische Schatten manche Bäume werfen?« Eine Pause. »Also dann, mein feiner Herr, komm raus.«

Verlegen trat Joel ins Sonnenlicht. »Hallo, Idabel«, sagte er, und Idabel lachte, und dieses Lachen war rauer als Stacheldraht. »Hör mal zu, Sohn«, sagte sie, »der letzte Junge, der versucht hat, Idabel reinzulegen, sammelt immer noch seine Einzelteile ein.« Sie setzte ihre Sonnenbrille wieder auf und zog forsch an ihren Shorts. »Henry und ich, wir gehen runter, um einen Haufen Katzenfische zu fangen: wenn du dich nützlich machen willst, kannst du mitkommen.«

»Was meinst du mit nützlich machen?«

»Ach, Würmer auf den Haken spießen …« Sie hielt den Eimer schräg und zeigte ihm dessen weißen, wimmelnden Inhalt.

Angeekelt wandte Joel den Blick ab, dachte aber: ja, er würde gern mit Idabel mitgehen, ja, alles, nur nicht allein sein: Würmer aufspießen oder ihr die Füße küssen, ganz egal.

»Zieh dir lieber was andres an«, sagte Idabel, »du bist feingemacht, als wär Sonntag.«

Er trug tatsächlich seinen besten Anzug, aus weißem Flanell, gekauft für die Tanzstunde; er hatte ihn angezogen, weil Randolph versprochen hatte, sein Bild zu malen. Aber beim Essen hatte Amy gesagt, Randolph sei krank. »Das arme Kind, und das bei der Hitze; mir will scheinen, wenn er etwas abnehmen würde, müsste er nicht so leiden. Angela Lee ging es genauso: die Hitze hat sie einfach umgeworfen.« Was Angela Lee betraf, so hatte Zoo ihm folgende sonderbare Geschichte erzählt: »Liebchen, was mächtig Merkwürdiges ist der alten Dame passiert, und zwar kurz bevor sie gestorben ist: ihr ist ein Bart gewachsen; er fing einfach an, aus ihrem Gesicht zu sprießen, richtige, echte Haare, blond waren die und kräftig wie Draht. Ich hab sie immer rasiert, denn sie war ja von Kopf bis Fuß gelähmt, mit Haut wie die von einem Toten. Aber der wuchs so schnell, dieser Bart, dass ich kaum hinterherkam, und als sie gestorben ist, hat Miss Amy den Barbier aus der Stadt kommen lassen. Na, und der Mann hat nur einen Blick auf sie geworfen und ist gleich wieder die Treppe runtergelaufen und zum Haus hinaus. Ich



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